Edition der Gesammelten Schriften von Otto Kirchheimer

Förderung: Deutsche Forschungsgemeinschaft
Projektzeitraum: 2015-2018


Otto Kirchheimer – geboren 1905 in Heilbronn und gestorben 1965 in Washington DC – gehört zu einer Gruppe junger deutsch-jüdischer Juristen aus der Weimarer Republik, die erst durch die von ihnen erlebten politischen Ereignisse in der Emigration zu Politikwissenschaftlern wurden und die nach 1945 die westdeutsche Politikwissenschaft stark prägten.

In Kirchheimers facettenreichem wissenschaftlichen Werk spiegeln sich in nahezu einzigartiger Weise die politischen und wissenschaftlichen Erfahrungen und Konflikte der Weimarer Republik, des Nationalsozialismus, des französischen und amerikanischen Exils sowie der Gründungs- und Etablierungsphase der beiden nach 1945 neu entstehenden deutschen Teilstaaten wider. Kirchheimers Beiträge sind zumeist aus konkreten Anlässen entstanden, die in der Summe jedoch nicht thematisch isoliert bleiben, sondern Elemente einer umfassenden Theorie der modernen Staatlichkeit, der Demokratie, des Rechtsstaates, der modernen Verwaltung und der intermediären Organisationen enthalten.

Das mit Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Projekt einer Herausgabe der ‚Gesammelten Schriften‘ von Otto Kirchheimer an der Universität Greifswald soll die wissenschaftliche Forschungstätigkeit zu Kirchheimer mit der praktischen Editionsarbeit verbinden. Das übergeordnete Ziel des Vorhabens besteht darin, eine Ausgabe der Gesammelten Schriften Kirchheimers in fünf Einzelbänden vorzulegen, welche den heutigen editorischen Standards entspricht. In den Einleitungen sollen die Arbeiten Kirchheimers zudem in ihren jeweiligen zeitgeschichtlichen und ideenpolitischen Kontext eingeordnet und mit Blick auf ihre jeweilige bisherige fachwissenschaftliche Rezeption eingebettet werden. Auf diese Weise sollen Kirchheimers wichtigste Beiträge aus allen politikwissenschaftlichen Arbeitsgebieten der zukünftigen Forschung (in gedruckter und elektronischer Buchfassung) in einer editorisch zuverlässigen Textform zugänglich gemacht werden.

Bis heute ist das wissenschaftliche Interesse am Werk Otto Kirchheimers in mehrfacher Hinsicht ungebrochen: Aus politikwissenschaftlicher Sicht gehört eine Reihe seiner Arbeiten inzwischen zum klassischen Kanon unterschiedlicher Teil- und Forschungsbereiche der Politikwissenschaft (insbesondere Staats- und Demokratietheorie, Parteienforschung, Vergleichende Politikwissenschaft, Internationale Politik sowie Transitionsforschung). Aus juristischer Sicht waren seine verfassungstheoretischen, staatsrechtlichen, rechtsvergleichenden und rechtssoziologischen Beiträge vielfältig inspirierend. In der kriminologischen Devianzforschung regte er posthum in den siebziger und achtziger Jahren die Kritische Kriminologie an. Aus zeitgeschichtlicher Perspektive sind viele seiner Arbeiten als gewichtige Zeugnisse der Jahre 1930 bis 1965 selbst zu Dokumenten der Zeitgeschichte geworden – wie seine Analyse des nationalsozialistischen Deutschlands aus dem amerikanischen Exil, seine Beiträge zum Thema Politische Justiz, seine historischen Forschungen zur Entwicklung des Strafvollzugs oder seine Aufsätze zur Krise der Weimarer Republik. In ideen- und intellektuellengeschichtlicher Perspektive stoßen Kirchheimers Aufsätze und Bücher sowie der daraus resultierende angeregte Disput mit so unterschiedlichen Autoren wie Carl Schmitt, Max Horkheimer oder Franz L. Neumann gerade momentan wieder auf starkes Interesse.

Diese umfangreichen und bis heute vielfältigen Rezeptionsstränge des Werkes von Kirchheimer verdeutlichen, dass Otto Kirchheimer neben Hannah Arendt, Carl Joachim Friedrich, Dolf Sternberger, Eric Voegelin und Ernst Fraenkel zu einem der wenigen unbestrittenen ‚Klassiker‘ der deutschen Politikwissenschaft des 20. Jahrhunderts gehört, von deren Arbeiten für aktuelle wissenschaftliche Debatten weiterhin wichtige Impulse ausgehen.

Seiner betont interdisziplinären Ausrichtung mit dem Einbezug soziologischer, juristischer, philosophischer und historischer Argumente und Argumentationsweisen liegt das Programm einer Politikwissenschaft zugrunde, die immer wieder neu ihre Anschlussfähigkeit an ihre Nachbardisziplinen und die dort diskutierten Probleme sucht.

Projektteam

Projektleiter:
Prof. Dr. Hubertus Buchstein

Wissenschaftliche Mitarbeiter*innen:
Moritz Langfeldt, Lisa Klingsporn, Dr. Jenny Linek

Ehemalige Mitarbeiter*innen:
Henning Hochstein

Studentische Hilfskräfte:
Sophie Friedrich, Moritz Heinrich, Jonas Meyerhof, Hannes Siebert

Ehemalige studentische Hilfskräfte:
Moritz Langfeldt, Merete Peetz, Eike Schmieder

Kontakt

Prof. Dr. Hubertus Buchstein
Institut für Politik- und Kommunikationswissenschaft
Lehrstuhl für Politische Theorie und Ideengeschichte
buchsteiuni-greifswaldde